WOMEN AMONG THE HORSES
Produktionszeitraum: 2010
Themen wie Umweltzerstörung und Transhumanismus begleiten die Choreografin seit Beginn der 2000er Jahre in ihren Arbeiten. Dieses Stück zeichnet das Bild einer, durch und für Menschen, zerstörten Welt, bei dem erst im letzten Augenblick so etwas wie Wärme und Hoffnung aufschimmert…
KALTE WINTERNACHT
„WOMEN AMONG THE HORSES“ von MY LOVELY WHITE DOG-dancecompany in der Alten Wachsfabrik
Tief verschneit in eiskalter Nacht, weit von der Innenstadt entfernt, liegt die Wachsfabrik an diesem Abend da. Ein märchenhaftes Ambiente, aber man spürt auch die Lebensfeindlichkeit der
Landschaft. Ungeschützt hätte man keine Chance, lange zu überleben. Zu dieser winterlichen Kälte passt die Tanzperformance „Women among the Horses“ von Nathalie Larquet. Zu Anfang sitzt eine Frau in heller KLeidung verloren neben einem Pferdesattel im Dunkeln. Ein Vorhang, der vor einem Fenster hängt, öffnet sich und hartes weißes Licht fällt auf die Szenerie. Vier weitere Frauen in schwarz gekleidet und mit Augenbinden kommen dazu. Sie gehen tastend, suchend, unverständlich vor sich hinredend durch den Raum. Dazwischen tanzt die Frau vom Anfang einen verzweifelten Tanz. Sie liegt am Boden, streckt alle Glieder in die Höhe, hält den Kopf gebeugt, stellt sich auf die Knie, schüttelt ihren Oberkörper mit ausdrucksloser Mimik. Was ist mit ihr passiert? Was hat sie erlebt? Die Szenerie ist rätselhaft, düster und mysteriös. Immer wieder entstehen skurile Bilder: Eine der Frauen kommt mit einem Baumstumpf herein, in dem ein Messer steckt, eine andere zieht mit einem langen Holzstab große Kreise auf den Boden, eine dritte bemalt sich ihre Lippen rot und küsst in aufreizenden Posen ihre Beine damit ab.
Jede tanzt für sich allein. Kontakt kommt selten zustande. Alle erscheinen in ihren eigenen Körpern wie Gefangene eingeschlossen, die keinen Ausweg mehr finden, ziellos umherirrend. Die Tanzsprache – in einer Choreografie von Nathalie Larquet (die auch selber mittanzt) – spricht für sich, ist kraftvoll und spannend. Thematisch, so erklärt eine Videoprojektion zu Anfang (wie auch der Programmzettel) geht es um Welt-Untergangs-Stimmung, die Entfremdung des Menschen von der Natur, Verlust von Identität und Gedächtnis. Große Themen, die assoziativ durch athmosphärisch dichte Bilder umgesetzt werden – ohne Antworten zu geben. Als Bühnenbild dienen hauptsächlich verwelkte Blätter, in denen sich die Tänzerinnen immer wieder drehen und wälzen: ein karger, verlorener Ort, düster, einsam und winterlich, eine poetische Parallelwelt. Einen Hoffnungsschimmer gibt es am Schluss, als eine der vier schwarz gekleideten Tänzerinnen der fünften Frau beruhigend die Hand auf die Schulter legt. Und mit diesem Funken Wärme und Trost wird der Zuschauer wieder in die eiskalte Schneenacht entlassen.
Stephanie Torloxten